- Kartennetzentwürfe
- Kartennetzentwürfe,Kartenprojektionen, Kartenabbildungen, die mathematische Übertragung (Abbildung) von Punkten und Linien der Oberfläche der Erde oder eines anderen Weltkörpers auf eine Kartenebene als geometrische Grundlage kartographischer Darstellung. Im engeren Sinn bezeichnet man als Kartennetzentwürfe die Abbildungen des geographischen Gradnetzes (Gradnetzentwürfe), die besonders bei kleinmaßstäbigen Karten (etwa ab 1 : 500 000) angewendet werden. Karten großer Maßstäbe beruhen heute vorwiegend auf geodätischen, meist konformen Abbildungen im Koordinatensystem der Landesvermessungen. Den Karten bis etwa zum Maßstab 1 : 2 Mio. liegt als Erdfigur ein Rotationsellipsoid, bei kleineren Maßstäben die Kugel zugrunde.Abbildungen in die Kartenebene sind nicht ohne Verzerrungen möglich (nur der Globus ist verzerrungsfrei). Diese treten als Längen-, Flächen- und Winkelverzerrungen auf, die durch die Indikatrix veranschaulicht und für den Zweck der jeweiligen Karte minimiert werden. Man kann Abbildungsgleichungen erzeugen, die flächentreue (äquivalente) oder winkeltreue (konforme) oder solche Projektionen ergeben, die teilweise längentreu sind. Flächentreue wird in der Geographie, Winkeltreue in Geodäsie und Navigation, partielle Längentreue in Darstellungen des Verkehrs bevorzugt.Die Konfiguration der abgebildeten Netze lässt sich oft geometrisch als Übertragung auf bestimmte Hilfsflächen deuten. Danach gibt es konische Abbildungen als Übertragungen auf einen Kegelmantel um die Erdkugel (Kegelprojektion). Sie eignen sich v. a. für Karten mittlerer Breite mit größerer West-Osterstreckung. Flächentreue konische Projektionen stammen von J. H. Lambert (mit einem längentreuen Breitenkreis; 1772) und H. C. Albers (Albers-Projektion mit zwei längentreuen Breitenkreisen; 1805). Azimutalprojektionen denkt man sich auf einer Tangentialebene an die Erdkugel erzeugt; die Azimute im Berührungspunkt bleiben dabei unverzerrt. Sie sind günstig als Kartennetzentwürfe für Gebiete von etwa gleicher Ausdehnung in allen Richtungen. Einige Azimutalprojektionen lassen sich auch als wirkliche Perspektiven mit Projektionszentrum im Kugelmittelpunkt (gnomonische Projektion), im Gegenpol des Berührungspunktes (stereographische Projektion) oder im Unendlichen (orthographische Projektion) erklären. Bei zylindrischen Abbildungen benutzt man die Vorstellung eines Zylindermantels um die Erdkugel (Zylinderprojektion); sie wurden besonders von G. Mercator (Mercatorprojektion) entwickelt und haben sich besonders bei Seekarten bewährt. Alle Abbildungen, die solche geometrische Deutungen mit Hilfsflächen zulassen, heißen auch echte Kartennetzentwürfe. Wo solche Erklärungen nicht oder nur teilweise möglich sind, handelt es sich um unechte Kartennetzentwürfe; diese kommen v. a. bei Gesamtdarstellungen der Erdoberfläche vor.Die Kartennetzentwürfe werden ferner nach der Lage der Abbildungsflächen unterschieden. Danach gibt es normale (erdachsige, polständige) Kartennetzentwürfe, wenn die Achse des Kegels oder Zylinders mit der Erdachse übereinstimmt oder die Azimutalebene im Pol (Polarprojektion) berührt. Transversale (querachsige, äquatorständige) Kartennetzentwürfe liegen vor, wenn die Achsen in der Äquatorlinie liegen oder wenn die Azimutalebene den Äquator (Äquatorialprojektion) berührt. Alle anderen Lagen gelten als schiefachsige (zwischenständige) Kartennetzentwürfe (bei azimutalen Kartennetzentwürfen auch Horizontalprojektion genannt).Zur praktischen Konstruktion werden nach den Abbildungsgleichungen die Schnittpunkte aller Netzlinien mit runden Werten (z. B. alle 1º, 5º, 10º) berechnet. Danach werden sie kartiert, die Netzlinien entstehen dann durch zeichnerische Verbindungen entsprechender Punkte. Berechnung und Zeichnung sind auch mit Computern möglich, denen ein automatisches Zeichengerät (Plotter) angeschlossen ist.Die ersten Kartennetzentwürfe stammen von den Griechen des Altertums. Nachdem Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. die Kugelgestalt der Erde erkannt worden war, ergab sich das Problem der Projektion auf eine ebene Fläche. Griechische Geographen des 4. Jahrhunderts stellten die bekannte Welt statt als Kreis erstmals als Rechteck dar. Eudoxos untergliederte das nördlich des Äquators eingezeichnete Rechteck durch eine senkrechte Linie in einen östlichen (Asien) und einen westlichen Teil (Europa und Afrika). Das von Dikaiarchos eingesetzte Achsenkreuz (Mittelpunkt bei Rhodos) wurde von Eratosthenes zu einem Koordinatennetz von sich rechtwinklig schneidenden Breiten- und Längenkreisen mit unregelmäßigen Abständen voneinander erweitert. Hipparch, der allerdings keine Weltkarte geschaffen hat, gilt als Urheber der stereographischen und orthographischen Kartenprojektion. Marinos gab seiner Weltkarte (um 114 n. Chr.) erstmals ein regelmäßiges Gradnetz. Auf dieser rechteckigen Plattkarte (Zylinderprojektion) aufbauend, entwickelte Ptolemäus eine erste exakte Anleitung zur Konstruktion von Gradnetzen (für echte und für modifizierte Kegelprojektionen), Grundlage der erst seit Beginn des 16. Jahrhunderts entstandenen neuen Kartennetzentwürfe. Mit den mathematischen Grundlagen der Kartennetzentwürfe befassten sich erstmalig J. H. Lambert und L. Euler im 18. Jahrhundert und später C. F. Gauss, A. Tissot und E. Hammer. Die Seekarten des 16. Jahrhunderts, die im 17. Jahrhundert beginnende Atlaskartographie und die topographischen Landesaufnahmen des 18. und 19. Jahrhunderts förderten die weitere Entwicklung.J. Hoschek: Mathemat. Grundl.en der Kartographie (21984);E. Kuntz: Kartennetzentwurfslehre (21990).
Universal-Lexikon. 2012.